Im ölreichen Nigerdelta im Süden Nigerias ist es zum ersten Mal seit etlichen Monaten zu Kämpfen zwischen der Armee und bewaffneten Milizen gekommen. Während in der Vergangenheit zumeist die ungerechte Verteilung des Ölreichtums Grund für die Kämpfe war, vermutet die Armee im jetzigen Fall einen politischen Hintergrund. Nigerias Präsident Goodluck Jonathan hat 2009 mit den Milizen in der Region eine Amnestie ausgehandelt.
Das Nigerdelta ist das größte und wichtigste Öl- und Gasfördergebiet auf dem afrikanischen Kontinent, die Bewohner des im südlichen Nigeria gelegenen Gebietes profitieren jedoch nur wenig von dem natürlichen Reichtum ihrer Region. Bewaffnete Rebellengruppen kämpfen daher immer wieder für eine gerechtere Verteilung des Ölreichtums und eine stärkere Einbeziehung der lokalen Bevölkerung.
Das ist jedoch nur die halbe Wahrheit. Viele der militanten Gruppen haben sich darauf verlegt, Pipelines der internationalen Ölkonzerne anzuzapfen und zu verkaufen oder ausländische Mitarbeiter der Unternehmen zu entführen und gegen Lösegeld freizulassen – beides sehr lukrative Einkommensquellen für die Milizen.
Die Ölproduktion im Nigerdelta ist durch die wiederholten Angriffe zwischenzeitlich um ein Viertel gesunken, bis es der Regierung unter dem damaligen Präsident Umaru Yar’Adua 2009 gelungen ist, durch eine Amnestie für die bewaffneten Kämpfer für länger anhaltende Ruhe in der Region zu sorgen.
Zum ersten Mal seit etlichen Monaten kam es am gestrigen Mittwoch in dem Gebiet um Ayakoromo wieder zu Gefechten zwischen der Armee und Milizen. Soldaten die auf einer Patrouillenfahrt in dem sumpfigen Gebiet des Deltas unterwegs waren, lieferten sich Feuergefechte mit bewaffneten Milizen, von denen vermutet wird, dass sie Anhänger des gesuchten Anführers John Togo sind. Bei den Auseinandersetzungen sollen zahlreiche Menschen getötet worden sein, offizielle Angaben zu der Anzahl der Todesopfer gibt es jedoch nicht.
In Armeekreisen wird vermutet, dass die Aktivität der Milizen nicht als ein erneutes Aufflammen der Kämpfe um das Öl zu deuten ist, sondern eher politisch motiviert ist. Nach den Gouverneurswahlen vor wenigen Wochen hat eine Gruppe, die sich selbst „Koalition der Freiheitskämpfer des Nigerdelta“ nennt, neue Angriffe angekündigt, weil Emmanuel Uduaghan die Wahlen gewonnen hat.
Ein erneutes, großflächiges Ausbrechen der militanten Auseinandersetzungen um das geförderte Öl ist auch daher zur Zeit unwahrscheinlich, da viele Kämpfer das Amnestieangebot der Regierung akzeptiert haben. Auch viele Kommandeure der bis dahin wichtigsten Vereinigung, der Bewegung für die Emanzipation des Nigerdelta (MEND), haben ihr Waffen abgegeben. Problematisch beim Prozess der Reintegration der ehemaligen Kombattanten ist allerdings langfristig die Vermittlung geeigneter Stellen an die Ex-Milizen.