In Tunesiens Hauptstadt Tunis sind am Samstag tausende Menschen auf die Straße gegangen, um den ersten Jahrestag der Revolution zu feiern. Am 14. Januar 2011 hatte sich der langjährige Präsident Zine al-Abidine Ben Ali nach Saudi-Arabien abgesetzt und somit dem Druck der wochenlang demonstrierenden Massen nachgegeben. Ein Jahr später gibt es einen neuen, demokratisch gewählten Präsidenten und die Stimmung ist gut, obwohl es noch zahlreiche drängende Probleme zu lösen gilt.
Tausende Menschen haben sich am gestrigen Samstag in Tunesiens Hauptstadt Tunis auf der Bourguiba Avenue versammelt, um den ersten Jahrestag der Vertreibung des langjährigen Präsidenten Zine al-Abidine Ben Ali zu feiern. Die Aktionen in der Hauptstadt trugen dabei den „Geist der Revolution“ in sich, da die staatlichen Entscheidungsträger nicht versuchten, die Feierlichkeiten zu inszenieren. Stattdessen luden sie die Menschen dazu ein, den Tag nach ihren eigenen Vorstellungen selbst zu gestalten.
Auf der Bourguiba Avenue, dem Ort, an dem die Proteste vor einem Jahr ihren Höhepunkt fanden, schwenkten zahlreiche Menschen Flaggen ihres Landes, während andere Slogans wie „Tunesien ist frei!“ oder „Bye bye Diktatur. Willkommen Freiheit!“ propagierten. Als Allegorie für die neu gewonnene Freiheit trugen einige sogar Käfige mit sich, deren Türen weit offen schwangen.
Der neue Präsident Tunesiens, Moncef Marzouki, hat den 14. Januar zum nationalen Feiertag erklärt und aus diesem Anlass auch 9.000 Gefangene begnadigt und 122 Todesurteile in Haftstrafen umgewandelt. Marzouki selbst war während der 23 Jahre dauernden Herrschaft Ben Alis zeitweise als politischer Gefangener inhaftiert und lebte viele Jahre in Frankreich im Exil. In einer Fernsehansprache versicherte er, dass die Opfer, die vor einem Jahr erbracht worden sind, nicht vergeben waren. Die tunesische Revolution habe die Tür für eine aussichtsreiche Zukunft eröffnet, ergänzte Marzouki.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon schickte seine Glückwünsche und erklärte, dass die Welt vor einem Jahr von den Forderungen der Tunesier nach Demokratie, Freiheit und Würde inspiriert worden sei: „Ihr Mut hallte durch die gesamte Region, so dass andere Menschen, angespornt durch die Taten ihrer tunesischen Brüder und Schwestern, den Mut fanden, ihren rechtmäßigen Forderungen ebenfalls Gehör zu verschaffen“.
Trotz der enormen Fortschritte in Richtung Demokratie, die Tunesien innerhalb des letzten Jahres gemacht hat, leidet das nordafrikanische Land unter zahlreichen akuten Problemen. Die Armut eines Großteils der Gesellschaft und die enorm hohe Zahl an Arbeitslosen sind sozialer Sprengstoff. So verwundert aus nicht, dass auch am Tag der Feierlichkeiten vor dem Innenministerium eine Gruppe Jugendlicher demonstrierte. Sie fordern von der Regierung größere Anstrengungen und tiefgreifendere Reformen.