Seit Sonntag steht fest: Mohammed Mursi ist der neue Präsident von Ägypten. Mit knapper Mehrheit setzte sich der 60-jährige gegen Ahmed Schafik durch. Dieser soll das Land inzwischen verlassen haben, kurz nachdem Ermittlungen wegen Amtsmissbrauchs gegen ihn eingeleitet wurden. Und auch Mursi hat es nicht leicht, den Ansprüchen gerecht zu werden, die nun vom In- und Ausland an ihn gestellt werden.
Das Ergebnis der Präsidentschaftswahl in Ägypten, das am Sonntag bekanntgegeben wurde, hätte knapper nicht sein können. Mit 51, 7 % der Wählerstimmen hat sich Mohammed Mursi von den Muslimbrüdern gegen den Ex-Minister Ahmed Schafik, der 48,3 % der Stimmen erhielt, durchgesetzt. Damit ist Musri der erste demokratisch gewählte Präsident Ägyptens. Die Wahl war zweifelsohne ein historisches Ereignis, die Zukunft Ägyptens ist jedoch weiterhin alles andere als sicher. Noch vor der Bekanntgabe der Wahlergebnisse hat der Militärrat, der im Frühjahr 2011 nach dem Sturz des Diktators Hosni Mubarak die Macht im Land übernahm, das frisch gewählte Parlament aufgelöst und sich zentrale Befugnisse gesichert. Mursi ist damit ein Präsident, dessen Machtkompetenzen bereits beschnitten waren, bevor sein Wahlsieg überhaupt feststand.
Auf dem Tahrir-Platz in Kairo demonstrieren weiterhin tausende Menschen gegen den Militärrat. Der neue Präsident dagegen, der als wenig charismatisch gilt, präsentiert sich seinem Volk als Staatsoberhaupt für alle. Mursi weiß, dass er nicht nur im Ausland sondern auch in Ägypten selbst auf Misstrauen stößt, weil er Islamist ist. In seiner Antrittsrede betonte er nicht zuletzt deshalb, er wolle ein Präsident für alle Teile der Bevölkerung sein, auch für die koptischen Christen und die Liberalen. Eine weitere vielsagende Geste war Mursis Austritt aus seiner Partei der Muslimbrüder, kurz nach seinem Wahlsieg.
Mursi bekennt sich zur ägyptischen Revolution und will sein Parlament nach diesem Beispiel zusammensetzen. Sein Ministerpräsident soll unabhängig und für alle politischen Ströme des Landes akzeptabel sein. So war die Rede in einer Regierungszeitung zum Beispiel von Mohamed ElBaradei als möglichen Kandidaten, dem Friedensnobelpreisträger, der den Aufstand gegen Mubarak vielseitig unterstützte und von dem viele erwartet hätten, dass er selbst für das Amt des Präsidenten kandidieren würde. In jedem Fall soll der Regierungschef Mursis nicht aus dem islamistischen Lager kommen, so viel scheint sicher.
Einen ersten Skandal leistete sich Musri bereits, als er in einem Interview von einer möglichen Revision des Friedensvertrages mit Israel gesprochen haben soll. Dass es dieses Interview jemals gegeben hat wird jedoch nun von seinen Sprechern vehement dementiert.
Während Musri derzeit damit beschäftigt sein dürfte, sich auf die enormen Anforderungen einzustellen, die vom In- und Ausland an ihn gestellt werden, hat sich der Wahlverlierer Schafik offenbar aus dem Staub gemacht. Er flog in die Vereinigten Arabischen Emirate, nur Stunden bevor Ermittlungen gegen ihn eingeleitet wurden, die möglichen Amtsmissbrauch zum Gegenstand haben.