Volksentscheid über neue Verfassung in Marokko

marrokko.gif Marokko stimmt am heutigen Freitag über eine Änderung der nationalen Verfassung ab. Anhänger der Opposition bezeichneten die politischen Reformen des König Mohammed VI. als „politische Kosmetik“ und riefen zum Boykott des Volksentscheids auf. Der Monarch ist zwar bereit, die Befugnisse von Parlament und Premierminister auszuweiten, behält aber in allen Schlüsselpositionen die alleinige Entscheidungsgewalt.

Am heutigen Freitag den 1. Juli ist die Bevölkerung Marokkos dazu aufgerufen, in einem Volksentscheid über eine neue Verfassung abzustimmen. Wie in zahlreichen weiteren Ländern in Nordafrika hat sich auch im Königreich Marokko eine Freiheitsbewegung konstituiert. Sie fordern mehr Demokratie und eine Beschneidung der Macht des Königs Mohammed VI.. Seit Februar gibt es immer wieder öffentliche Proteste in Marokko. Um eine Eskalation der Lage nach dem Vorbild Ägypten oder Tunesien zu verhindern, hat der König politische Reformen beschlossen. Am Freitag soll die Bevölkerung nun darüber entscheiden, ob die neue Verfassung eingeführt werden soll.

Experten gehen davon aus, dass sich die Mehrheit der marokkanischen Bevölkerung für die neue Verfassung aussprechen wird. Und König Mohammed VI., dessen Dynastie bereits seit dem 17. Jahrhundert das Land regiert, hat entsprechende Vorarbeit geleistet. Die Imame benennen ein „Ja zur Verfassungsänderung“ in den vom Staat kontrollierten Moscheen als Pflicht für alle gläubigen Marokkaner. Der Islam ist die Staatsreligion Marokkos, das Argument der Imame demnach entsprechend ausschlaggebend.

In öffentlichen Ansprachen preist der König selbst die außerordentlichen Vorteile an, die der Bevölkerung durch die neue Verfassung zuteil werden. Und tatsächlich ist der Monarch dazu bereit, seinem Volk Zugeständnisse zu machen. Die Handlungsbefugnisse des Premierministers sowie des Parlaments würden durch die politischen Reformen ausgeweitet werden. Die Rechte der Frauen werden verstärkt und die Sprache der Berber als zweite Amtssprache in der neuen Verfassung manifestiert. Das sind nur einige der Änderungen, die die Reformen versprechen. Nur eines bleibt weiterhin bestehen: Der König behält in den Schlüsselpositionen des Landes die letzte Entscheidungsgewalt.

Für die Anhänger der Demokratiebewegung in Marokko ist die neue Verfassung eine reine Farce. Der König beabsichtigt ihrer Auffassung nach, sein Volk durch Reformen ruhigzustellen, um eine Revolution á la Ägypten oder Tunesien in seinem Land zu verhindern. Mitglieder der sogenannten „Bewegung 20. Februar“, einem landesweit organisierten unabhängigen Komitee, das sich für mehr Freiheit und Demokratie in Marokko einsetzt, riefen ihre Landsleute zum Boykott des Referendums auf. Das Königreich scheint gespalten. Die Freiheitsbewegung kündigte bereits an, ihre Proteste fortzusetzen.