Nigeria: Erste Opfer von Medikamentenversuchen erhalten Entschädigungen

nigeria.gifBei einem Medikamentenversuch im Nordwesten Nigerias sind 1996 elf Kinder gestorben, zahlreiche Andere sind seitdem blind, taub oder leiden an Hirnschäden. Gestern erhielten die ersten Angehörigen der Opfer Entschädigungen ausgezahlt. Der für die Versuche verantwortliche internationale Pharmakonzern Pfizer begrüßte die Zahlungen, die in einer Einigung vor zwei Jahren beschlossen wurden, ist sich aber keiner Schuld bewusst.

Am gestrigen Donnerstag haben die ersten Familien, deren Kinder in der Folge eines Medikamentenversuchs 1996 gestorben sind, Entschädigungen von dem verantwortlichen Pharmakonzern erhalten. Der internationale Pharmagigant Pfizer, der das Medikament im Versuchsstadium, ein Antibiotikum zur Bekämpfung von Meningitis, an – nach eigenen Angaben – 200 Kindern in Nigeria getestet hatte, zeigte sich „zufrieden“, dass die Entschädigungszahlungen nun erfolgen.

Vier Elternpaare, die jeweils ein Kind verloren hatten, erhielten jeweils 175.000 US-Dollar aus einem extra eingerichteten Fonds, der mit 35 Millionen US-Dollar ausgestattet ist. 2009 hatte sich der Pfizer-Konzern nach einem kostenintensiven Gerichtsstreit mit der Provinzregierung der im Nordwesten Nigerias gelegenen Kano-Region außergerichtlich auf die Zahlung der Entschädigungen geeinigt. Außerdem sollen mit dem Geld Gesundheitsprojekte in der Region finanziert werden.

Die Angehörigen der Opfer erklärten nach Erhalt der Zahlungen, dass sie diese begrüßen, betonten aber, dass das Geld bei weitem nicht den Verlust ihrer Kinder aufwiege. Während der Versuchsreihe waren 1996 insgesamt elf Kinder gestorben und zahlreiche erlitten Hirnschäden oder sind seitdem blind oder taub. In besagtem Jahr herrschte in der westafrikanischen Region eine schwere Meningitis-Epidemie, die etwa 12.000 Menschen das Leben kostete.

1996 hatte Pfizer in der abgelegenen Kano-Provinz eine klinische Studie mit einem im Versuchsstadium befindlichen Antibiotikum namens Trovan durchgeführt, während zeitgleich eine Vergleichsgruppe ein bereits etabliertes Antibiotikum bekam. Fünf Kinder starben nach der Einnahme von Trovan, sechs nach der Einnahme des anderen Medikaments. Eltern, deren Kinder nach der Einnahme des Vergleichsmedikaments starben, werfen dem Pharmakonzern bis heute vor, dass er das Antibiotikum absichtlich niedrig dosiert habe, um die Ergebnisse der eigenen Trovan-Studie besser aussehen zu lassen.

Pfizer ist sich bis heute keiner Schuld bewusst. Trotz der Einigung mit der Regierung auf finanzielle Entschädigung der Opfer, beharrt der Konzern weiterhin darauf, dass die Meningitis-Erkrankung zum Tod der Kinder geführt habe und nicht das von ihnen verabreichte Medikament. Der Pharmakonzern geht sogar noch einen Schritt weiter und erklärt, dass Trovan leben gerettet hat. Mehr als 94 Prozent der nigerianischen Kinder, die Trovan erhalten haben, hätten schließlich überlebt – mehr als ohne Behandlung überlebt hätten. Darüber hinaus sei das Versuchsmedikament nur an Kinder verabreicht worden, die bereits sehr schwer erkrankt waren.

Trovan wurde 1998 auf dem internationalen Markt eingeführt und bescherte dem Konzern Millionengewinne. Kurze Zeit später wurde es jedoch auf dem europäischen Markt verboten und in den USA mit Restriktionen versehen, da es im Verdacht steht, tödliche Leberschäden zu verursachen. Die Todesfälle in Nigeria erhielten erst 2000 breite Aufmerksamkeit, nachdem die Washington Post eine Serie von Artikeln zu Medikamentenversuchen in Entwicklungsländern veröffentlichte.

Ein Bericht der Washington Post von 2006 berichtet auch, dass die Genehmigung der Ethikkommission des Versuchskrankenhauses in Nigeria gefälscht worden sei. Darüber legen auf WikiLeaks veröffentlichte Dokumente von 2009 den Verdacht nahe, dass Pfizer Privatdetektive angeheuert hatte, die Korruptionsvorwürfe gegen den ehemaligen nigerianischen Generalstaatsanwalt erhärten sollten, um diesen zu Zwingen, denn Trovan-Fall fallen zu lassen. Pfizer bestreitet diese Vorwürfe.