Wie geht es weiter in Libyen?

libyen1.gifMuammar al-Gaddafi ist tot und die „Befreiung“ Libyens soll morgen offiziell verkündet werden. Aber auch wenn die Kampfhandlungen nun zu einem Ende kommen, so ist der Weg zu einer demokratischen Gesellschaft noch sehr lang und steinig. Der Premierminister des Übergangsrates, Mahmoud Jibril, kündigte seinen Rücktritt an und strebt baldige Neuwahlen an.

Nach 42 Jahren Schreckensherrschaft steht Libyen vor einem historischen Neuanfang. Der Diktator des nordafrikanischen Landes, Muammar al-Gaddafi, ist Tot und der Nationale Übergangsrat steht nun vor der schwierigen Aufgabe, den friedlichen Wandel zu einer Demokratie zu bewältigen.

Mahmoud Jibril, der vorher als Akademiker im Exil gelebt hat und seit dem Beginn der Revolution als Premierminister des Übergangsrates fungiert hat, bestätigte, dass er wie geplant von seinem temporären Posten zurücktreten und den Weg für Neuwahlen freigeben werde. Am morgigen Sonntag planen die derzeitigen Führer Libyens in der Rebellenhochburg Bengasi eine offizielle Deklaration zu verlesen, die das gesamte Land für „befreit“ erklärt.

Zu den nächsten Schritten zählt dann, eine anerkannte Übergangsregierung zu schaffen, eine Verfassung zu entwerfen und bis 2013 eine funktionierende Demokratie zu installieren. Aus gesamtgesellschaftlicher Sicht bedeutet dies, dass Libyen nun da die Kämpfe vorbei sind, dringend eine gemeinsame Vision benötigt, mit der sich alle Volksgruppen identifizieren können. Wirtschaftlich gesehen ist es wichtig, dass es dem ölreichen Land möglichst schnell gelingt, sich von der Abhängigkeit von Öl- und Gasexporten zu lösen, indem die Wirtschaftsstruktur diversifiziert wird.

Das große nordafrikanische Land, in dem lediglich sechs Millionen Menschen leben, besteht in seiner heutigen Form erst seit den 1930er Jahren, als es unter italienischer Kolonialherrschaft stand. Aus dieser Zeit stammen auch regionale Antipathien und ethnische Spannungen zwischen der arabischen Bevölkerung und den Berber-Stämmen. Auch zwischen Islamisten und säkular ausgerichteten Strömungen kommt es zu Spannungen – all das trägt dazu bei, dass die Angst groß ist, dass die Entwicklung einer gesunden Demokratie noch schwieriger wird, als der Sturz des Diktators selbst.

NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rsamussen hat am Freitag erklärt, dass die westliche Allianz ihren Einsatz in Libyen zum 31. Oktober beenden wird. Ziel der Mission war vornehmlich der Schutz der Zivilbevölkerung, aber die gezielten Angriffe auf Truppen Gaddafis haben gezeigt, dass es der NATO zu einem großen Teil auch um den Sturz Gaddafis ging. Auch der Autokonvoi, mit dem Gaddafi aus der umkämpften Stadt Sirte zu fliehen versuchte, wurde von Lufteinheiten der NATO bombadiert.

Weiterhin unklar ist noch immer, wie Gaddafi ums Leben kam. Seine Familie und westliche Menschenrechtsorganisationen fordern eine umfassende Aufklärung der Umstände. Handyaufnahmen hatten Gaddafi schwer verwundet aber noch lebend gezeigt. Kurz darauf wurde der Diktator vermutlich in einem Abwasserrohr, in das er sich geflüchtet hatte, getötet. Die Familie Gaddafis fordert die Herausgabe des Leichnams, der in einem Kühlhaus in Misrata gelagert wird. Der nationale Übergangsrat möchte den Diktator jedoch an einem geheimen Ort begraben, um die Entstehung einer Pilgerstätte zu verhindern.