Wird der Südsudan zum Präzedenzfall?

sudan1.gifDer Südsudan wird in wenigen Monaten ein unabhängiger Staat sein. Experten gehen davon aus, dass auch andere Länder Afrikas nun Forderungen nach Sezessionen stellen werden. Die Beispiele für separatistische Gruppierungen auf dem Kontinent sind zahlreich. Die Teilung des Sudan wird zumindest der Argumentation der Separatisten in Zukunft als Beispiel dienen.

Der Südsudan wird sich vom Norden lösen und in Zukunft ein autonomer Staat sein, so entschied die Bevölkerung Anfang des Monats in einem Volksentscheid. Offizielle Ergebnisse fehlen zwar noch, die Sezession vom Norden steht nach ersten Hochrechnungen jedoch zweifelsfrei fest. Experten befürchten nun, dass sich weitere Länder Afrikas ein Beispiel am Sudan nehmen und das Recht auf Separation für sich beanspruchen werden.

Nach der Abspaltung Eritreas von Äthiopien im Jahr 1993 ist der Sudan der zweite Fall einer neuen Grenzziehung auf dem afrikanischen Kontinent. In den 1960er Jahren, als ein Großteil der Länder Afrikas die Unabhängigkeit von den Kolonialmächten erlangte, entschieden die afrikanischen Staatsmänner, die bei der Kolonialisierung von den Europäern willkürlich gezogenen Grenzen beizubehalten, um blutige Konflikte zu vermeiden. Der Sudan ist seither die zweite Ausnahme, die einigen anderen Ländern zum Vorbild werden könnte.

Der Sudan ist nicht das einzige Land in Afrika, das in eine christlich und eine muslimisch geprägte Region aufgeteilt ist. Ähnlich sieht es zum Beispiel auch in Nigeria aus. Immer wieder kommt es dort zu blutigen Zusammenstößen zwischen Anhängern des Islam im Norden und Christen aus dem Süden. Experten rechnen damit, dass auch in Nigeria die Forderung nach einer offiziellen Teilung des Landes lauter werden wird. Ähnliche Prognosen gibt es für die Elfenbeinküste, deren Merkmale Nigeria stark ähneln.

Ein weiteres Beispiel ist der Senegal. Die Provinz Casamance im Südwesten des Landes kämpft bereits seit mehreren Jahrzehnten um ihre Unabhängigkeit vom Rest des Senegal. Bereits 1947 wurde dort die Partei „Mouvement des forces démocratiques de la Casamance“ gegründet, die seitdem für die Autonomie der Region kämpft. Auch hier kommt es immer wieder zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen Separatisten und der Regierung. In der Casamance stellt die Ethnie der Diola die Mehrheit, während in den übrigen Teilen des Landes die Wolof den größten Anteil der Bevölkerung ausmachen.

In Angola sieht es ähnlich aus. Die Exklave Cabinda sollte nach den Vorstellungen der Kolonialmacht Portugal ein autonomer Staat werden, wurde jedoch noch während der Verhandlungen um die Unabhängigkeit von Angola beansprucht. Seither kämpfen separatistische Gruppen, allen voran die Partei „Frente para a Libertação do Enclave de Cabinda“, um die Abspaltung von Angola. Ähnlich umstrittene Gebiete in Afrika sind Somaliland in Somalia und Westsahara in Marokko.

Ob die Forderungen der Separatisten religiös oder ethnisch begründet sind macht wenig Unterschied. Sezessionen sind kein Allheilmittel für Konflikte, vielmehr verschieben sie diese lediglich auf eine andere Ebene. Minderheiten, die Autonomie von einer herrschenden Mehrheit fordern, wird es auch in den Regionen geben, die sich aus diesen Gründen abgespalten haben. Welche Auswirkungen die Teilung des Sudan tatsächlich auf den Rest des afrikanischen Kontinents haben wird bleibt abzuwarten. Eine Zerstückelung Afrikas würde aber mit Sicherheit kein Ende der Konflikte bedeuten.