Mit Explore Bassanhoue Benin Westafrika entdecken

benin.gifSchwarze Magie, von Nadeln durchstochene Puppen und grausame Beschwörungsformeln, das versteht man in Europa noch immer unter Voodoo. Im westafrikanischen Land Benin, zwischen Togo und Nigeria, ist der Voodoo Staatsreligion und hat wenig mit unseren Klischeevorstellungen zu tun. Der Glaube an göttliche Kräfte, die den ganzen Kosmos beseelen, bestimmt den Alltag der rund acht Millionen Einwohner. Dabei ist aber auch der Voodoo vielerorts längst angekommen in der Moderne.

Voodoo: Das Göttliche in Allem

Simon Sebio ist Voodoopriester in dem kleinen Dorf Adjentemey, im Süden Benins. An einen Bedeutungsverlust des Voodoo in absehbarer Zeit glaubt er zwar nicht, von Wandel und Weiterentwicklung ist er jedoch überzeugt. "Das Wissen um die spirituellen Handlungen im Voodoo wurde bislang immer nur mündlich weitergegeben. Es gibt kein heiliges Buch, wie die Bibel bei den Christen oder den Koran bei den Muslimen. Schon deshalb war der Voodoo immer viel eher Veränderungen ausgesetzt, längst nicht so rigide, wie die Buchreligionen."

So brechen auch heute viele Voodoopriester immer wieder mit einigen althergebrachten Traditionen. Sein Priestergewand trägt Simon Sebio nur noch anlässlich großer Zeremonien. Ansonsten liebt er sportlich, legere Kleidung, manchmal auch Hemden und Hosen mit traditionellen, afrikanischen Mustern und Farben. Simon ist ein Priester "zum Anfassen", und wie die meisten seiner Kollegen verdient er seinen Lebensunterhalt überwiegend mit einem sehr weltlichen Job. Er ist Mitarbeiter im Krankenhaus von Gohome, dem größten und modernsten Hospital in der Region. Und deshalb erinnert tagsüber so gut wie gar nichts an ihm an Voodoo. "Aber fast alle im Benin glauben daran." Simon Sebio ist sich da ganz sicher. "Voodoo ist überall, auch wenn man nicht immer etwas davon sieht."

Willkommen in Bassanhoue

benin-menschen-trommel.jpg Ich mache mich auf den staubigen Weg nach Dogbo Bassanhoue. Die Sonne steht schon tief über dem Horizont, aber es ist immer noch rekordverdächtig heiß. Und bei 38 Grad im Schatten bringt die Fahrt mit einem Semidjan, einem Motorradtaxi, wenigstens die Illusion einer Abkühlung. Im Übrigen liebe ich es, so luftig durch den Busch zu fahren, nehme die Düfte der Garküchen in den Dörfern in mich auf, und genieße es, daß Leben der Menschen hier zu sehen und zu hören. Wer als Besucher in den Benin kommt, sollte seine gesamten Sinne öffnen, aufnahmebereit sein für ein ursprüngliches Afrika, wie man es sonst nur noch an wenigen Stellen des Kontinents vorfinden wird.

Heute Abend kommt eine Reisegruppe nach Dogbo Bassanhoue, wo ich seit einigen Jahren ein zweites zu Hause gefunden habe und mit einem kleinen Team von afrikanischen Frauen und Männern ein kleines Reiseunternehmen aufbaue. Dreizehn Studentinnen und Studenten haben sich vorgenommen ihre Semesterferien mit meinen beninischen Freunden und mir hier zu verbringen, in einem Land, welches sie bisher nur aus den Theorien kennen, die ihnen in den unterschiedlichsten Studien-fächern in Deutschland vermittelt wurden.

Nur diejenigen, die sich mit Theologie und Philosophie auseinander setzen, haben schon etwas ausführlicher vom Voodoo gehört. Die anderen jungen Frauen und Männer kommen aus den Bereichen der Ökonomie und Ökologie, oder aus der Sozialwissenschaft.  Allen gemeinsam ist ihr Engagement in der Studenteninitiative "Weitblick", einer Organisation, die weltweit Menschen der unterschiedlichsten Kulturen und Religionen zusammenbringt und die sich vor allen Dingen um die Verbesserung von Bildungschancen in den Ländern der so genannten "dritten Welt" einsetzt. Wir werden Simon Sebio, den Voodoopriester aus Adjentemey, in den nächsten Tagen treffen. Er spricht gut englisch, französisch und sogar ein wenig deutsch, und er freut sich immer über Besucher aus Europa, die sich für sein Land Benin interessieren.

Heute ist Markttag in Dogbo, und da sind besonders viele Leute unterwegs. Auch die Voodoopriester/innen und Fetischeure aus der ganzen Region kaufen hier ein, nutzen das umfangreiche Angebot an den Ständen des Fetischmarktes. Inmitten von Obst- Gemüse- und Haushaltswaren wird alles das zum Verkauf angeboten, was bei religiösen Zeremonien benötigt wird. Besonders Utensilien, welche der Herstellung von Fetischen dienen, rufen bei Touristen zumeist Gefühle von Verwunderung, manchmal auch von Angst und Ekel hervor. Hunderte von Tierskeletten liegen, liebevoll sortiert und arrangiert, auf einfachen Holztischen oder auf Decken und Tüchern am Boden. Kräuter, Pulver und Tinkturen in gebrauchten Schnaps- Wein und Limonadenflaschen bestimmen das Bild der "medizinischen Abteilungen" des Fetischmarktes. Mit einem Fetisch, einer fast künstlerisch kreierten, abstrakten Figuration, wird der Kontakt zum Göttlichen hergestellt.  Er besteht oft aus Tierknochen oder Tierköpfen, Federn und Fellbestandteilen, aber auch aus Dingen des alltäglichen Bedarfs.

benin-menschen-schlange.jpg Verrostete Eisenstücke, Scherben von Keramik, Kinderspielzeuge und Schmuckgegenstände können ebenfalls in einem Fetisch verarbeitet werden. Alles im Universum ist eben von göttlicher, schöpferischer und kreativer Kraft durchströmt und deshalb beachtens- und liebenswert. Und alles ist mit allem verbunden, in ständiger Kommunikation und Bestandteil des "Großen und Ganzen", des Gbedetos, wie es in der Sprache Adja genannt wird, die man hier spricht. Und obwohl der Schamanismus Sibiriens, und auch jener in Nord- und Südamerika sich in den vergangenen Jahrhunderten nicht untereinander austauschen konnte, ist es dieser "Einheitsgedanke", der die Mystiker in den Religionen weltweit verbindet. Ein Gedanke, der den Christen leider fast ganz abhanden gekommen ist, der aber –    interessanter Weise – bei Forschern und Wissenschaftlern aus der Quantenphysik wieder an Bedeutung gewinnt. Ich kaufe einen Kanister mit Sodabi, dem traditionellen Palmschnaps, der im Voodoo, aber auch im sozialen Miteinander der Beniner eine wichtige Rolle spielt. Sicher feiern wir heute Abend in Bassanhoue eine Willkommenszeremonie. Dreizehn "Jovos", so werden die Weißen im Benin genannt, haben noch nie auf einmal das Dorf besucht.

Die "Jovos" sind da

"Die Jovos sind schon da, sind gerade hier vorbei gefahren. Beeile dich, dann holst du sie noch ein!" Eine Gruppe von aufgeregten Kindern hat mein Motorradtaxi auf den letzten sieben Kilometern nach Bassanhoue angehalten und springt wild gestikulierend und durcheinander redend um uns herum. "Das können wir schaffen." Mein Fahrer weiß, das er auf der besonders sandigen Wegstrecke, die noch vor uns liegt, einen klaren Vorteil gegenüber einem Autobus hat. Und schon nach wenigen Minuten haben wir tatsächlich die Reisegruppe aus dem sechstausend Kilometer entfernt liegenden Deutschland eingeholt. Das typisch afrikanisch überladene Fahrzeug hat sich in der roten, lehmigen Erde festgefahren, eine kleine "Hundertschaft" aus Männern, Frauen, Kindern und meinen Gästen versuchen gerade, den Wagen wieder frei zu bekommen.

Müde und erschöpft sehen sie aus, meine Studentinnen und Studenten. Der Vorschlag, den Rest des Weges zu Fuß zu gehen, kommt gut an. Sieben Stunden hat die Fahrt vom Flughafen der Handelsmetropole Cotonou, zugleich Regierungssitz und heimliche Hauptstadt des Benins, bis hierher gedauert. Den Bus können wir zur Not auch am nächsten Tag noch ins Dorf fahren, in einer halben Stunde wird es nämlich dunkel sein. Und gestohlen wird hier nichts, die Leute kennen sich alle untereinander und sind im Alltag aufeinander angewiesen. Und so landet selbstverständlich auch fast das gesamte Gepäck zum weiteren Transport auf irgendwelchen Köpfen, man hilft sich eben, besonders in unvorhergesehenen Situationen.

Über daß, was dann geschieht, schreibt Florian Rinke, Student aus dem westfälischen Münster, Wochen später eindrucksvoll auf der Internetseite seiner Homepage: "Noch nie in meinem Leben hat sich jemand vor mir verbeugt – bis jetzt. Eigentlich wollten wir nur die letzten Kilometer zu unserer Unterkunft zu Fuß zurücklegen, doch wie ein Lauffeuer hatte sich die Nachricht durch die dichten Palmenwälder bis in die hinteren Winkel der Region Dogbo verbreitet, daß die Jovos nun endlich da sind. Während wir nichts ahnend über die Lehmwege wanderten, vorbei an Mango- Bäumen und abenteuerlich anmutenden Palmschnaps-Brennereien unter Strohdächern, kamen die Bewohner von Bassanhoue uns entgegen, um uns willkommen zu heißen.

Zunächst hörten wir die Trommeln nur ganz leise aus der Ferne, doch sie kamen immer näher. Dann waren die ersten bunten Gewänder zu sehen, die ersten Gesänge zu hören. Ehe wir realisierten, was um uns herum geschah, waren wir mitten drin im bunten Festumzug, in dem getanzt, gesungen und geklatscht wurde. Wir wurden Zeuge ungebrochener, afrikanischer Lebensfreude. Und dann verbeugten sie sich. Erst der Dorfälteste und Voodooheiler und nach und nach die anderen. Es war ein unglaubliches Gefühl angenehm und unangenehm zugleich, auch etwas beschämend für mich. Ich hatte Gänsehaut und konnte sehen, daß es den anderen genauso ging. Diese intensiven Szenen, in denen unsere Gastgeber ihre Freude über unseren Besuch zum Ausdruck brachten, dauerten nicht lange. Sie werden mir aber für immer im Gedächtnis bleiben."

In Bassanhoue gibt es keinen elektrischen Strom. Nur wenige Familien leisten sich einen Generator, und so ist es das Licht der traditionellen Öllampen, welches das Dorf nach Sonnenuntergang in eine warme und mystische Stimmung eintauchen läßt. Begrüßungen nach den Regeln des Voodoo dauern lange, Terminkalender gewohnte Europäer müssen viel Geduld mitbringen. Wie geht es deinem Haus? Wie geht es deiner Müdigkeit? Wie geht es deiner Familie?  Oberflächliche und damit kurze Antworten sind nicht erlaubt. Und da ja das Göttliche in allem wohnt, fällt auch der Beginn eines Begrüßungsritals ganz anders aus, als bei uns. Je nach Tageszeit werden die Menschen angesprochen mit: Du und das Morgengrauen! Du und der Nachmittag! Du und der Abend. Doch damit nicht genug. Selbst gerade ausgeübte Tätigkeiten und Örtlichkeiten finden wertschätzende Beachtung. Du und das Sitzen! Du und das Feld! Du und das Holz! Du und der Regen! Du und die Wasserstelle! Entsprechend ausgiebig fällt dann auch das erste "Palaver" nach der Ankunft der Jovos in Bassanhoue aus. An Abendessen, Ausruhen oder Schlafen ist noch lange nicht zu denken.

Beerdigungszeremonie in Lokokohoue

Leben und Tod, Gut und Böse, überhaupt alle Gegensätzlichkeiten sind im Voodoo grundsätzlich die zwei Seiten ein und derselben Medaille. Nichts wird verdrängt oder tabuisiert. In den Zeremonien, die der Heilung dienen, wird vielmehr versucht Gleichgewicht, Harmonie und Einklang herzustellen. Destruktive Anteile der Seele und des Lebens werden nicht ausgelöscht, sondern in sozial verträgliche Bahnen gelenkt und kultiviert. Sexualität gehört zu den natürlichsten Emotionalitäten menschlichen Daseins und auch die Prozesse von Krankheit und Sterben sind Alltagswirklichkeiten mitten im Leben einer jeden Familie. Psychiatrien und Altenheime gibt es nicht, behinderte und seelisch gestörte Menschen haben ihren Platz in der Gesellschaft.

Nur fünf Kilometer von Bassanhoue entfernt, in Lokokohoue, findet eine Bestattungszeremonie gerade ihr Ende. Vier Tage lang haben sich Familienangehörige Freunde und Bekannte des Verstorbenen schon Zeit genommen, um sich zu verabschieden und los zulassen. Beerdigungen im engsten Familienkreis kennt man im Benin nicht. Gleich nach dem Frühstück machen wir uns auf den Weg. Nicht, ohne vorher eine ausgiebige Runde durch unser Dorf zu unternehmen. Und fast von jeder Familie, die wir dabei besuchen, gehen Leute mit nach Lokokohoue. Eine Beerdigungszeremonie ist immer ein großes Ereignis, genau so groß, wie eine Hochzeit oder die Feierlichkeiten anlässlich einer Geburt.

benin-menschen-fahne.jpg Hundert fünfzig, vielleicht auch zweihundert Frauen, Männer und Kinder haben sich rund um das Haus des Toten versammelt. Schon lange bevor wir Lokokohoue erreicht haben, hörten wir das Trommeln und Singen der "Trauergesellschaft", im Wechsel mit schriller, verzerrter und lauter Musik aus einer Generator betriebenen und mobilen "Diskothek", die selbst in den entlegensten Dörfern immer beliebter wird. Der König von Dogbo ist unter den Gästen, Könige gibt es viele im Land, und auch Simon Sebio, den Voodoopriester aus Adjentemey, kann ich in der Menge ausmachen. Und erneut nimmt die Begrüßung, besonders unserer Jovogruppe, wieder viel Zeit in Anspruch. Alles muß übersetzt werden, mein Team und auch ich haben gut zu tun.

Simon gesellt sich zum Glück schnell dazu, hilft bei der Konversation und gibt sich alle Mühe zu erklären, was auf dem Fest passiert. Warum denn hier niemand trauert, wollen meine jungen Gäste von ihm wissen. Denn überall wird getanzt, gesungen, gegessen, getrunken und viel gelacht. "Wir wollen der Seele des Toten zeigen, daß sie sich unbesorgt auf ihren Weg machen kann." Simon läßt uns wissen, daß der Trauer nur in den ersten Tagen einer Totenzeremonie Raum gegeben wird. "Die geistigen Anteile, die den jetzt toten Körper verlassen haben, dürfen sich keine Sorgen um das weitere Leben der Verbliebenen machen. Es ist wichtig, zu zeigen, daß alles im Dorf nach der Beerdigung so weiter geht, wie immer."

Dann werden wir ins Haus geführt, sollen uns ansehen, wie der Tote aussieht und zurecht gemacht ist. Auch hier, direkt am Sarg, findet das Leben in seiner lebendigsten Form statt. Geschichten aus der Vergangenheit werden erzählt, aber auch über Politik und Sport wird geredet, besonders das schlechte Abschneiden der beninischen Fußball Nationalmannschaft beim gerade stattfindenden Afrika Cup erhitzt die Gemüter. Zahlreiche Kinder sind im Raum, berühren immer wieder neugierig den Leichnam, tauschen sich laut darüber aus "wie sich ein Toter an fühlt". Ob die Leute keine Angst vor Leichenvergiftung haben, möchten wir wissen. Vielleicht hatte der Verstorbene ja auch eine ansteckende Krankheit. "Wir Fetischeure und Voodoopriester wissen, wie man eine Leiche entsprechend präpariert", erklärt uns einer der Heiler aus Lokokohoue, der sich ebenfalls zum Sarg gedrängelt hat. Nicht um den Toten noch einmal zu sehen, sondern um sich mit den Besuchern aus Deutschland zu unterhalten. Einige Studenten und Studentinnen erzählen, immer noch staunend über das, was um uns herum geschieht, von europäischen Trauerritualen, und ernten nur Kopfschütteln.

Noch bevor der Sarg in die Erde eingelassen wird, sitzen wir beim gemeinsamen Essen mit anderen Gästen der Zeremonie und mit Familienangehörigen des Verstorbenen unter einem Baobab, einem riesigen Baum der Tropen, in dessen Schatten es angenehm kühl ist. Nicht weit weg von unserem Platz liegen die Fetische des Dorfes im roten Sand. Das Blut der Tiere, dessen Fleisch nun serviert wird, wurde ihnen am Vormittag geopfert. "Leben zeugt Leben. Leben erhält Leben. Leben nimmt Leben." Simon erklärt immer mehr vom Voodoo und dem damit verbundenen Alltag in Westafrika. "Und so ist es auch mit Gbedeto, mit der großen Göttlichkeit, mit dem Kosmos. Alles hat sich selbst erschaffen, und alles erschafft sich ständig neu. Es ist ein komplexes Geben und Nehmen. In der Medizin spricht man von Stoffwechsel. Sieht man das Universum als eine Art Körper, kann man wohl auch da von Stoffwechsel sprechen. Vom großen, alles durchdringenden Stoffwechsel, angetrieben von ein und derselben Kraft."

benin-kinder-lachen.jpg Ich bin immer wieder begeistert, solche Gleichnisse aus dem Munde eines Voodoopriesters zu hören. Analogien, wie diese, könnten auch im Hörsaal einer Universität formuliert werden. Selbst Priester und Heiler im Benin, die nicht schreiben und lesen können, verfügen zumeist über einen ähnlichen geistigen Horizont, wie Simon Sebio, bringen diesen lediglich mit anderen Worten zum Ausdruck.
Und dann hören wir noch eine sehr skurrile Geschichte. Vor einigen Stunden hat die Familie des Toten den Leichnam noch einmal aus dem Sarg geholt, um letzte gemeinsame Erinnerungsfotos zu machen.

Tourismus auf Augenhöhe mit der Bevölkerung

Die Tage in Bassanhoue vergehen schnell. Ungewohnte und teilweise auf den ersten Blick schockierende Eindrücke begleiten das Besuchsprogramm der Jovos. Meistens ahnen wir beim Frühstück nicht, was der Tag uns erleben lassen wird.  "Was sorgt dich der morgige Tag? Jeder Tag sorgt für sich selbst." Dieser Spruch aus dem Neuen Testament ist für mich zu einem weisen Rat geworden, zumindest für das Leben im Benin. Von den meisten Gottesbildern der Bibel habe ich allerdings Abstand genommen. Ein ewig mich beobachtender, immer wieder straf androhender und ständig auf Dankbarkeit hoffender, zumeist grimmiger "Vatergott" spielt keine große Rolle mehr in meinem Leben. Und auch die Angst vor dem Tod und dem vorhergesagtem "jüngsten Gericht" weicht mehr und mehr einem neuen Urvertrauen in die Richtigkeit kosmologischem Geschehens. "Himmel und Hölle sind in Dir und um Dich herum." In den lange Zeit nicht veröffentlichten Apokryphen, den einst verbotenen Evangelien, haben auch die Autoren, welche die Person Jesus kreierten, einen wichtigen Teil des Voodoo- Wissens auf den Punkt gebracht. Und sollte es diesen Nazarener jemals gegeben haben, sollte er jemals etwas ähnliches gesagt haben, war er ein Mystiker und so dem Schamanismus und dem Voodoo sehr nahe stehend.

Wir fahren weiter, in Richtung Nord- Benin, an die Grenzen zu Burkina Faso, dem Niger und Togo. Unsere Gäste aus Deutschland wollen unbedingt noch in den Pendjari Nationalpark , Löwen und Elefanten, Wasserbüffel, Gazellen und Affen anschauen. Und dann gibt es da ja noch die Somba, ein Volk welches sich einst in das unzugängliche Hochland zurückgezogen hat, um den Sklavenfängern zu entkommen. Noch heute leben einige von ihnen in Lehmburgen, den "Tata Somba", wie vor hunderterten von Jahren.  Tourismus auf Augenhöhe mit der Bevölkerung Benins bedeutet für mein afrikanisches Team und mich vor allen Dingen Anpassung an landesübliche Lebensweisen und Philosophien. In zwei Wochen durch das Land "hetzen", um möglichst alles "mitzunehmen" ist in diesem Zusammenhang sicher fragwürdig. Tourismus auf Augenhöhe bedeutet allerdings auch Kompromissbereitschaft, nicht nur auf Seiten der Besucher, sondern auch bei den Gastgebern.

Wir freuen uns über jeden, der neugierig und voller Wissensdurst anreist. Ob es jedoch immer ein "Crash Kurs" sein muß, innerhalb dessen wir versuchen den Bedürfnissen unserer Fernreisenden gerecht zu werden bezweifeln wir. Menschen, Voodoo, Safari, Strand und Mee(h)r. Benin hat viel zu bieten. Doch ist es nicht ein Kardinalfehler des Massentourismus, die Schätze des Gastgeberlandes zu "verramschen"? Mittlerweile haben wir in Bassanhoue darüber diskutiert, lange und ausführlich, wie es in Westafrika der Brauch ist. Niemand hat es den Jovos wirklich übel genommen, daß sie so schnell wieder verschwunden sind um durch das Land zu eilen. Eher Verständnislos und traurig erinnern sich die Dorfbewohner an die schnelle Weiterreise der Weißen. "Es gibt einiges, worum wir Euch in Europa beneiden," resümiert Papa Methäo aus dem Kreis der Alten. "Die Hast, mit der ihr durch das Leben rennt, werden wir aber hoffentlich nie in Afrika übernehmen. Das ist doch eine Krankheit. Vielleicht sollten unsere Voodoopriester versuchen, die nächsten Jovos die hier her kommen davon zu heilen."

Wer Interesse an einer Reise in den Benin hat, und wer dabei eine Initiative junger Menschen aus Dogbo unterstützen möchte, kann sich informieren: www.explore-bassanhoue.de